Willkommen in der Türkei ! Endlich wieder ein Lebenszeichen von mir. In der Zwischenzeit habe ich einiges erlebt. Um es gleich vorweg zu nehmen: die Gastfreundlichkeit der Türken ist kaum zu überbieten und herzerfrischend. Es handelt sich nicht etwa um einen abgegriffenen Slogan aus einem Hochglanzkatalog, sondern ist gelebte Wirklichkeit. Wenn man an die himmeltraurigen Geschehnisse beim WM-Qualifikationsspiel Schweiz-Türkei denkt, erhaelt man leider ein ganz falsches Bild von den Türken. An dieses Spiel bin ich bis jetzt eher selten erinnert worden und wenn dann mit Humor. Keine Spur von Feindseligkeit. Dass die Türken aber fussballfanatisch sind, ist nicht abzustreiten. Oft werde ich gefragt :'Fenehrbace? Galatasaray?' Ich antworte dann immer: 'Besiktas' (die dritte Mannschaft aus Istanbul). Die Gastfreundlichkeit ist auch in Restaurants zu spüren, die personell oft überbelegt zu sein scheinen. Selbst bei dreistündigen Busfahrten wird man bewirtet und etliche Male erhaelt man das erfrischende Limonyiasi, um Haende und Gesicht einzureiben.
Es ist unglaublich, wie oft ich bereits in den ersten drei Tagen zum Tee, zum Essen und sogar zur Übernachtung eingeladen worden bin. Je weniger touristisch der Ort, desto freundlicher und hilfsbereiter scheinen die Leute zu sein. Wo man hingegen an Touristen gewöhnt zu sein scheint, wird man oft gefragt 'Where do you come from?'. Es gaebe unzaehlige kleine Episoden zum Erzaehlen.
Aber alles der Reihe nach. Beim Grenzübergang Griechenland zur Türkei erschrecke ich zunaechst kurz, als mich der Zöllner nach einem Visum fragt. Habe ich da etwas übersehen? Das Visum entpuppt sich als 20 Euro teures Kleberlein (allerdlngs mit '15 Euro' beschriftet), das im Gebaeude nebenan wie eine Packung Zigaretten zu kaufen ist. Noch bin ich aber nicht drüber. Ein anderer Zoellner spannt mich vorher noch als Italienisch-Englisch Dolmetscher ein. Ein Georgier aus Kalabrien, der mit seinem Lieferwagen Pakete für Landsleute transportiert, darf seine ganze Ladung auf dem Gehsteig ausbreiten. İch staune darüber, wie er die ganze Fracht in der Wagen verstauen konnte. Der Zöllner versucht ihm klarzumachen, dass die Fracht nur mit einer Speditionsfirma die Grenze passieren darf. Nach dieser Machtdemonstration laesst er ihn aber schliesslich durch.
Ich passiere den Grenzfluss, der aufgrund des Hochwassers eher einem See gleicht. Ein Militaer auf der Bruecke macht ein Foto von mir, waehrend ich kurz darauf einer Schildkröte über die Strasse helfe, damit sie nicht wie ihre plattgewalzte Begleiterin endet. In Malkara, wo ich den Hotelpreis von 30 auf 15 neuen türkischen Lira runterdrücke, mache ich Halt. Malkara übt auf Touristen Null Anziehungskraft an und so falle ich ziemlich auf. Beim Mini Market wird mir sofort ein Tee angeboten und der Nachbarsjunge Yasin herbeigerufen, der ein bisschen Englisch spricht. Yasin führt mich durch seine Stadt und laesst mich eine doppelte Portion der in dieser Gegend berühmten Köfte - grillierte Hackfleischröllchen - probieren, waehrend Fenehrbace Galatasaray 3:2 schlaegt. Ich werde sehr freundlich empfangen und meine Konsumation geht auf Kosten des Hauses. Man scheint erfreut zu sein, dass sich ein Velofahrer in diese etwas heruntergekommene Stadt verirrt hat.
Tekirdag Köfteçi bis zum Abwinken
Am naechsten Tag wird es um die 20 Grad warm, erstmals kann ich kurzaermlig fahren. Fast schon zu warm für mich. Eigentlich hatte ich nur auf trockeneres nicht aber waermeres Wetter gehofft. In Tekirdag, das für seine Köfte bekannt ist, gibt es praktisch nichts anderes zu essen. Köfte salonu reiht sich an Köfte Restaurant. Wenn es hochkommt, liegt noch eine Çorba (Suppe) und Salat drin. Die grillierten Hackfleischröllchen verleiden mir sehr schnell und ich hoffe sehr, dass es in der Türkei noch etwas anderes zu essen gibt als diese gummigen Dinger.
Der naechste Tag bringt Regenschauer und Gegenwind, der den ganzen Tag anhaelt. Ich versuche schon gar nicht, mir vorzustellen wıe schnell ich bei normalen Bedingungen vorankommen würde. Ich kaempfe mich 5 Stunden lang bei einer Durchschnittsgeschwindigkeıt von 10 km/h ab. Ich motiviere mich mit dem Gedanken, dass es 'eigentlich' nicht schlimmer werden kann und der Tag irgendwann enden wird. Wenig spaeter überholt mich ein Lastwagen auf der Höhe einer Riesenpfütze und spritzt mich mit Dreck voll, waehrend mich von rechts ein deutscher Schaefer giftig anbellt und mir gefaehrlich nahe an das Hosenbein kommt. Die Situation ist komisch und ich muss lachen. Es kann also doch schlimmer werden ! Ein Tag zum Überspringen, denke ich mir und liege diesmal komplett falsch.
Bei Hüseyin, dem 'çaycı'
Als ich endlich Silivri erreiche, beginnt es bereits einzudunkeln. Ich mache mich auf die Suche nach einer Unterkunft und frage mich durch. Schon bald kommt Hüseyin auf seinem Roller, mit dem er vor zwei Jahren bis nach Antalya runter- und die Küste wieder raufgefahren ist, daher. Er laedt mich zu sich nach Hause ein und ich nehme dankend an. Hüseyin, ein 40 Jahre alter Junggeselle, spricht zum Glück ein wenig Englisch. Wir essen etwas in seiner Stammbeiz, einem einfachen aber ausgezeichneten Lokal und verbringen schliesslich den Abend in einem überfüllten und rauchigen Kaffee, in welchem praktisch nur Çay konsumiert wird (in dem Fall eine Çayhane), geplaudert und Karten oder Backgammon gespielt wird. Unnötig zu erwaehen, dass es ausschliesslich von Maennern frequentiert wird. Bei den Fragen nach meiner Familie kann ich endlich erstmals mein 'Familienalbum' auspacken, das interessiert begutachtet wird.
Die Runde, darunter auch ein Bruderpaar, das eine Speditionsfirma betreibt, lacht sich kugelrund ab meinem Bild auf dem Handy von einem türkischen BMC-Lastwagen (das ich eigens für einen Kollegen geschossen habe, der abseits vom Mainstream Zeitschriften wie 'Fernfahrer' liest ...): diese Dinger sind derart hart und unbequem zu fahren, dass etliche Witze über die Impotenz der BMC-Chauffeure kursieren (leider habe ich sie nicht gut verstanden). Um elf Uhr verlassen Hüseyin und ich das Lokal. Ein Abend, wie man ihn nicht missen möchte.
Am naechsten Tag, es ist Samstag, begleite ich Hüseyin zur Arbeit. Er arbeitet bei der Steuerverwaltung (soweit ich das verstanden habe) und hat als çayci eine wichtige Funktion inne: er serviert der 96 starken Belegschaft den ganzen Tag lang Tee. In seinem Reich, der kleinen Küche, geniessen wir ein typisches türkisches Morgenessen mit Tomaten, Gurken, Oliven, Kaese, Poca (mit Kaese gefüllte Brötli), Bal (Honig) und natuerlich Çay.
Ich verabschiede mich von Hüseyin und mache mich auf den Weg zur 16 Millionen Metropole Istanbul. Ein Horror für Velofahrer ! Bereits 50 Km vor Istanbul nimmt der Verkehr stark zu. Ich fahre auf einer dreispurigen Schnellstrasse und muss mir die Ohren zustöpseln. In Istanbul übernachte ich bei einer Freundin von Rahime, meiner Schwaegerin in spe. Isik und ihr Freund Sezer kümmern sich aufmerksam um mich. An zwei Tagen sehe ich mir die Touristenmagneten Ayasofia, Sultanahmet und die blaue Moschee und schlendere durch den grossen Bazaar.
03 April 2006
Türkiye 'ye hoşgeldiniz !
Posted by
Maurizio
at
19:28
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen