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13 Juli 2006

Heisse Fahrt durch die Kavir-Wueste
















Nach drei Tagen Sightseeing in Esfahan gilt es, wieder kraeftig in die Pedale zu treten. Die Temperaturen sind im Zentraliran merklich hoeher als im Norden, wo es teils bewoelkt war oder mir einer der seltenen Regenschauer etwas Abkuehlung verschaffte. Noch heisser wird es in der Wuestenstadt Yazd, rund 300 Km suedoestlich von Esfahan, inmitten der Wuesten Dasht-el-Kavir und Dasht-el-Lut gelegen.

Unterwegs kann ich in einer Polizeistation uebernachten. Unterdessen verlieren die Iraner ihren ersten Fusballmatch. 150 Km vor Yazd will eine Karavanserai besichtigt werden. Dort hat sich ein englischer Tourenfahrer, Stevens, eingefunden, der aber in die entgegengesetzte Richtung faehrt. Zusammen schauen wir uns die Karavanserai an, kochen Pasta (mit frischen Pelati und viel Knoblauch) und verbringen den Abend mit einem aelteren Einheimischen und zwei Truckfahrern. Es ist zu heiss, um drinnen zu schlafen und wir machen uns auf dem Teppich vor dem Haus breit. Am naechsten Morgen kann der Wind nur jemandem zur Seite stehen. Ich kann mich gluecklich schaetzen: mit Rueckenwind fliege ich foermlich nach Yazd, dem Zentrum des Zoroastrismus, der wichtigsten Religion im Sassanidenreich (3.-7. Jahrhundert nach Chr.).















Die Altstadt aus Lehmziegeln, die unzaehligen Badgire (Windtuerme) und die kuppelbedeckten Basare laden zum Verweilen ein. Die Hitze zwingt dazu. Ich habe mein Turkmenistan-Visum im Auge und muss nach einem Besichtigungstag das Silk Road Hotel bereits verlassen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Schade, denn dieses Hotel wie auch Yazd sind Hoehepunkte meiner Iranreise. Die Zimmer im Hotel sind wie in einer Karavanserai rund um den rechteckigen schattigen Hof angelegt. Man trifft auf andere Tourenfahrer, isst auf gemuetlichen, mit Teppichen ausgelegten Holzgestellen. Das Beste ist aber das Fruehstuecksbuffet, wo ich am Morgen satte zwei Stunden verbringe.















Ich bin bereit fuer die Wueste! Lieber 20 Liter Wasser zuviel mitnehmen als einen zuwenig, heisst die Devise. Ich fuehre etwa neun Liter mit. Einen Vorgeschmack auf die heissen Temperaturen habe ich auf der Fahrt nach Yazd bereits erhalten. Die Temperaturen klettern nun bis auf 50 Grad. Sobald man den Fahrtwind nicht mehr spuert, ist man pflotschnass vor Schweiss. Das Wasser in meinen Trinkflaschen ist schon nach kurzer Zeit warm, nach Stunden heiss. Das Trinken dient nicht der Erfrischung sondern einzig der Fluessigkeitszufuhr. Bei den Einheimischen informiere ich mich jeweils sehr genau, wo Wasser getankt werden kann. Oftmals sind auf meiner Karte Ortschaften eingetragen, die sich als verlassene Siedlungen entpuppen. Auf der anderen Seite bin ich ueberrascht, mitten in der Wueste auf eine Moschee zu stossen. Zu meiner Freude finde ich hier gekuehltes Trinkwasser a discretion. Herrlich !















Warnschilder weisen auf die Existenz von Kamelen hin. Was ich zu sehen und riechen bekomme, sind einzig Kadaver am Strassenrand. Die Mack-Trucks kennen keine Gnade. Rund 80 Km nordoestlich von Yazd mache ich im Oasendorf Kharanaq Halt, das inmitten einer abwechslungsreichen Gesteins- und Geroellwueste liegt. Die Morgen- und Abendstimmungen verlocken zu hauefigen Foto-Stopps. Was mir in der Tuerkei verwehrt blieb, kann ich hier endlich nachholen: ich kann in einer Karavanserai uebernachten. Die zu Konferenzzwecken sorgfaeltig restaurierte Karavanserai steht mir ganz alleine zur Verfuegung. Nach Kharanaq wird die Landschaft bald flacher, grauer und eintoeniger.

Schuster, bleib bei deinem Leisten !

Tabas ist die groesste Oasenstadt in der Wueste. Zwei Motoradfahrer aus Paris empfehlen mir, dort im Park zu uebernachten. Dass man im Iran in Parks unbehelligt zelten und uebernachten koenne, wurde mir immer wieder von den Einheimischen beteuert. Ich konnte mich jedoch nie mit dem Gedanken anfreunden, inmitten einer Siedlung quasi unter Beobachtung zu zelten. Der abgeschiedene Park in Tabas gefaellt mir aber sehr gut und bevor ich mein Zelt aufschlage, frage ich sicherheitshalber im nahegelegenen Buero des 'Red Crescent', einer Hilfsorganisation nach. Hier wird mir zuerst Tee und Wasser angeboten. Der Manager telefoniert lange rum, meint es sei zu heiss und es habe Muecken. Ich koenne jedoch in einer Mesaferkhune (guesthouse) uebernachten. Ich solle warten, jemand wuerde mich dahin fuehren. Ich bin erstaunt, als ploetzlich ein Polizist auftaucht.

Erst jetzt durchschaue ich die Hinhaltetaktik: der Manager ist der Auffassung, dass mein Visum nicht mehr gueltig sei. Vergebens versuche ich den beiden zu erklaeren, dass ich innert der viermonatigen Gueltigkeitsdauer in den Iran einreisen koenne und ab diesem Zeitpunkt ich 60 Tage im Iran bleiben koenne. Der Polizist ist bereits am Ende seines Lateins. Und so werden zu spaeter Stunde (es ist schon laengst dunkel) der Chief der Foreign Police und ein Regierungsvertreter bestellt. Nach einer Stunde treffen diese ein und wiegeln sofort ab. Das Visum sei in bester Ordnung. Der Coup des Managers hat Schiffbruch erlitten. Ich bin sauer. Es ist neun Uhr, ich habe noch nichts gegessen, habe keine Unterkunft, bin ungeduscht und haette um zehn schlafen wollen. Die einzige Genugtuung die mir verbleibt, ist die Blamage des Managers vor versammelter Beamten-Crew. Und dass ich die aufgetischte Wassermelone praktisch alleine aufgegessen habe. Uebrigens werde ich spaeter in Ferdows bei einer Polizeikontrolle wiederum mit der gleichen Begruendung zurueckbehalten. Die dortigen Polizisten scheinen die Weisheit ebenfalls nicht mit Loeffeln gegessen zu haben. Zum Glueck ist aber die Sachlage nach einer halben Stunde geklaert.
















Waehrend die Hitze noch einigermassen zu ertragen ist, macht mir der Wind arg zu schaffen. Ich starte am Morgen jeweils kurz nach 5 Uhr. Doch bereits um acht, neun Uhr zieht ein kraeftiger Wind auf. Von Nordosten. Jeden Tag. Zermuerbend. Nach ueber einer Woche platzt mir der Kragen und ich werfe mein Rad in den Strassengraben. Anschliessend muss ich mich mit Musik von Lucio Battisti beruhigen: Le biciclette abandonate sopra il prato e poi, noi due distesi all'ombra, un fiore in bocca puo servire, sai... Abends treffe ich auf nette Leute, die mich mich Fruechten, Pistazien und Suessigkeiten verwoehnen. Bei einer gemuetlichen Unterhaltung kann ich mich wieder einfangen.

500 Kilometer nach Yazd wechselt die Wuestenlandschaft zur Steppe. Buesche nehmen an Anzahl und Groesse zu. Vermehrt sind Baumoasen auszumachen. In der Provinz Khorasan dominieren dann Pistazienplantagen. Hier ist auch das Zentrum des Safrans. In Feyzabad, ca 700 Km nordoestlich von Yazd, empfangen mich die Einheimischen besonders herzlich. Ich werde von Toeffahrern und Fahrraedern eskortiert, man will meine Unterschrift, ich erhalte eine Tesbieh (Rosenkranz) aus Kerbala geschenkt, man reicht mir Kirschen und Birnen. Ich bin erstaunt. Eine Dame meint, ich sei letzte Woche im Fernsehen erschienen, ich sei doch der Schweizer, der nach China fahre. Ja das stimmt. Aber vor einer Fernsehkamera habe ich nie gestanden. Hier muss sich es sich offenbar um meinen 'Sitznachbar'
Roman handeln, der ebenfalls nach China unterwegs ist.

Spinning-Marathon der anderen Art

Meinen Plan, mir in Mashhad drei Ruhetage zu goennen, muss ich mit der Brechstange durchsetzen. 170 Kilometer fehlen mir am letzten Tag vor Mashhad. Als ich am Morgen um 7 Uhr starte und mir der Wind die Haare nach hinten kaemmt, weiss ich, dass es ein ganz langer Tag wird. Und so nehme ich 11 Fahrstunden lang - der laengste Radeltag bis anhin - den Kampf gegen den Wind auf. Bei Bergabfahrten komme ich kaum mehr als auf 18 Kilometer pro Stunde. Ein Unglueck kommt selten allein und ich darf nach ueber 2000 pannenfreien Kilometern wieder einen Platten flicken. Erst als die Dunkelheit einbricht, legt sich der Wind. Die letzten 35 Kilometer fahre ich auf einer dichtbefahrenen Autobahn. Der halsbrecherische Verkehr in Mashhad nimmt meine Konzentration nochmals gehoerig in Anspruch. Die Suche eines preisguenstigen und akzeptablen Hotelszimmers braucht ebenfalls Zeit. Erst um Mitternacht kann ich mich voellig ausgepumpt und micht leichten Magenkraempfen in einem Hotelzimmer breitmachen. Ich bin zu muede um zu duschen und lege mich gleich hin.

















In Mashhad kontaktiere ich Mohammed, der mir von Hanif aus Tabriz mitten in der Wueste per SMS innert Minuten vermittelt worden ist. An seine Adresse konnte Ruth mir ein Paket mit einer neuen Isomatte nachschicken, da der alten in der heissen Wueste die Luft ausgegangen ist. Mohammed ist ein feiner Mensch. Er bereitet sich auf eine Weltumrundung mit dem Fahrrad vor. Leider fehlt im noch einiges Material. Wer also noch einige alte Velopacktaschen hat, kann ihm diese gerne spenden!

Er fuehrt mich zum Schrein des Imams Reza, des achten shiitischen Imams und des einzigen der insgesamt zwoelf, der im Iran begraben liegt. Obschon der Reisefuehrer davon sprach, dass es Nicht-Muslimen nicht erlaubt sei, den Schrein zu besuchen, meint Mohammed, nur Nicht-Glauebigen sei der Eintritt verwehrt. Er habe schon viele zum Schrein gefuehrt, auch ein schwedisches Bruederpaar. Seit einem Bombenanschlag im Jahre 1997 herrscht eine strenge Personenkontrolle und die Mitnahme von Fotokameras (nicht jedoch von Handys) ist nicht mehr erlaubt. Die Anlage rund um den Schrein ist in den letzten Jahren stark erweitert worden. Ganze Quartiere wurden plattgewalzt, um neue attraktive Plaetze zu schaffen. Vor den alten Moscheen mit den goldenen Iwanen (Boegen) sitzen Abertausende von Glaeubigen auf Teppichen. Die Shiiten bahnen sich einen Weg durch die vollstaendig mit Spiegelkacheln verzierten Raeume, in denen sich die goldigen massiven Tore spiegeln. Es herrscht eine euphorische Stimmung gemischt mit Trauer ueber den Tod des Imams, der von einem Kalifen hinterlistig vergiftet worden ist.

Die letzten zwei Tage bis zur iranischen Grenzstadt Sarakhs kann ich wieder ruhiger angehen. In Sarakhs wird mir der Abschied vom Iran nicht leicht gemacht: mein gebrochener Velostaender wird umsonst geschweisst, ein Coiffeur rasiert mich gratis, in der Backstube wird mir Brot geschenkt und ein Schneider will naeht mir ohne Bezahlung meine ausgeleierten Velohandschuhe. Schliesslich darf ich in der Transitzone der Zollanlage uebernachten, wo sich die Waechter liebevoll um mich kuemmern.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Mauri

Macht immer wieder Spass in deinem Blogg zu lesen und deine Fotos zu bewundern.
Freue mich schon auf weiter Geschichten deiner Abenteuerlichen Reise.

Mojca